A N D R E J D Ú B R A V S K Ý,
H A N N A H S O P H I E
D U N K E L B E R G,
N A O K I K U C H I,
K O R N E L L E Ś N I A K,
M I C H A E L P A R T,
S O P H I E-L U I S E P A S S O W
Bitteres Arkadien
14. Februar – 29. März 2025
Öffnungszeiten
Di.–Fr., 11–18 Uhr
Sa., 11–15 Uhr
Getreidemarkt 14
1010 Wien

In seinen überbordenden, in ihrer motivischen Überfülle, sensorisch überfordernden Bildern und Rauminstallationen, legt der slowakische Künstler Andrej Dúbravský (geb. 1987, lebt in Bratislava) einfühlsame und zugleich kritische Studie über unsere Umwelt und ihre fortschreitende Zerstörung vor. In der visuellen Kakophonie hallen unzählige Emotionen und deren oft lautstarke Äußerung wider, die die Konzentration und den Blick auf die einzelne Stimme, das isolierte Bild, schier verunmöglichen und die digitalen, medialen Überangebote spiegeln, mit denen wir tagtäglich konfrontiert werden. Der Künstler verweist auf eine ungelöste Spannung zwischen Mensch und Natur, Darstellungen idyllischer Landschaften und männlicher Sexualität. Die gedämpften Farben wirken fast konservativ, bis der Betrachter den zeitgenössischen und posttraditionellen Kontext bemerkt, in dem die Gemälde angesiedelt sind. Sein breites kunsthistorisches Repertoire spiegelt sich in seinen jüngsten Werken wider, die sich mit zeitgenössischen Versionen klassischer Sujets auseinandersetzen - mal ganz ernsthaft und gewissenhaft, mal mit distanzierter Ironie.
Hannah Sophie Dunkelberg (geb.1987) lebt in Berlin. Durch die Verbindung von industriellen Prozessen und regionalem Kunsthandwerk mit Elementen der Popkultur demontieren Dunkelbergs Arbeiten den fetischistischen Status der Moderne und versuchen, historische, patriarchale Narrative aus einer zeitgenössischen Perspektive neu zu bewerten. Das Subjekt, insbesondere das weibliche, begann sich ab einem bestimmten Zeitpunkt in der europäischen Vergangenheit auf neue Weise zu verhalten (Bynum 1991, S. 195). In ihren Skulpturen und Objekten, die reibungslos zwischen Volumen und Flächigkeit oszillieren, untersucht die Bildhauerin die kulturellen Aspekte seiner heutigen Emanzipation. Dieses ist weit davon entfernt, ein fixiertes, natürliches Gebilde zu sein. Stattdessen nimmt es einen transformativen, manchmal ambivalenten Charakter an und re-produziert sich selbst. Die Feierlichkeit von Dunkelbergs Werken, die an die Glam-Ästhetik der 90er erinnern, ist ein Symbol seiner Kraft und seiner Position.
Ausgehend von eigenen Erinnerungen an bestimmte Orte schafft Nao Kikuchi (geb. 1988, lebt in Karlsruhe) narrative skulpturale Szenen. Diese spiegeln die Sehnsucht nach fernen Orten wieder. Die Künstlerin beschäftigt sich vor allem mit architektonischen Motiven wie Fenstern, Türen, Vorhängen und Zäunen, die zu Metaphern für "offene Portale" mutieren, die, wie sie selbst sagt, den Weg in die ferne Welt weisen. Aus Keramik oder Terrakotta und Sprühfarbe entstehen zarte, filigrane, ornamentale Gebilde und Strukturen mit fragmentarischem Charakter, instabile Elementarteilchen eines Ganzen, das auf den ersten Blick nicht erkennbar ist. Ihre minimalisierten und minimalistischen Wandarbeiten haben ebenso den ikonischen Charme japanischer Schriftkultur. Nao Kikuchi versteht ihre Beschäftigung mit architektonischer Ornamentik, die Regionalität, Geschichte und Handwerkskunst reflektiert, als Suche nach einer visuellen Sprache, um nonverbale Erzählungen im zeitgenössischen Kunstkontext auszudrücken. Ihre Arbeiten mit detailreichen Oberflächen und verkürzten Formen beginnen nach einer Weile des Betrachtens in unseren Augen zu flackern und zu flimmern und erinnern an herabfallende Sterne aus dem kosmischen Universum. Oder auch an eine Welt, die aus den Fugen geraten ist.
Der stilsichere Maler und Poet Kornel Leśniak (geb. 1999, lebt in Krakau) wäre nicht der, der er ist, gäbe es nicht den Girls-Girl-Trend und seine Softmut. Power im Outfit - Guilty Please for Ever. Die Farbe Blau – dominiert in seinem Symbolraum und bedeutet Lebensphilosophie. Blue ciel, Blue nuit oder Blue electrique, neuerdings auch säuerliches Gelb und süßes Rosa sind Lesniaks Schützlinge. Perlenträne, das Girliehafte und Glitzerhafte bestimmen die Aura seiner zumeist traurig-melancholischen (Selbst) Porträts - Paintings. Oft erwidern sie unseren Blick und rufen ein leises Gefühl des Unbehagens oder der Entfremdung hervor. Lesniaks Porträts sind entweder übermenschlich noch heroisch. Bei ihm füllen neue Werte und Ideale den symbolischen Raum und keinen kollektiven Wahn. Seine Formungen sind in der Größenordnung der heutigen Mittel der Kulturproduktion und ihrer Verbreitung, d.h. der Massenmedien: charismatische körperlose Meme mit dem Konterfei des Künstlers, die im online Raum leben und unsere Vorstellungskraft so anregen, dass eine tiefgreifende emotionale Bindung zu einer imaginären Gemeinschaft entsteht. Lesniak ist ein Künstler, der in der Poetik des Spektakels eine neue Art von mythischen, magischen Figuren schafft, die zu verkünden scheinen: Ich sorge mich, also bin ich. Ist das der Versuch einer Abrechnung oder einfach die Konfrontation des (queeren) Subjekts mit der seelenlosen Realität, die uns umgibt? Trotz der beruhigenden Farben, des zarten Sfumato und der sanften Schwingungen seiner Kompositionen ist die heile Idylle nicht gegeben. In den eindringlich blickenden ungewöhnlichen Augenausschnitten oder Augenpaaren als rezeptive Empfangsorgane ist eine Ruhelosigkeit im Gezeigten eingeschrieben.
Michael Part (geb. 1979, lebt in Wien) beleuchtet in seiner Arbeit die historischen und technischen Bedingungen der Fotografie und lotet dabei ein ums andere Mal ihre medialen Grenzen aus. Er experimentiert mit Chemikalien und physikalischen Versuchsanordnungen und hinterfragt konsequent die Natur des fotografischen Bildes. In seinen, mit beinahe naturwissenschaftlichem Forschergeist vorangetriebenen Erkundungen bestellt er ein weites künstlerisches Feld, in das die gesamte Palette fotografischer Bildgebung Einzug findet. Präzise aber ergebnisoffen und voller Neugier bringt er Direkt- und Langzeitbelichtungen, Daguerrotypien oder Silbergelatine-Verfahren zur Anwendung und schafft dabei faszinierende, oft zurückhaltende, aber gleichwohl poetische „Malereien mit Licht“, die in sich nicht zuletzt auch die Geschichte(n) der Fotografie und ihrer Pionier*innen vergegenwärtigen. Parts in der Ausstellung gezeigteInkjet-Prints von gescanntem Durchlichtmaterial (Dias) bilden kleine Teile von Pflanzen ab, nur etwa Fingernagel-groß. Die Pflanzen selbst sind zufällig, und stammen von einem Vorhaben des Künstlers, Kurkuma zu züchten. Die Erde, die er daüfr verwendete, war voll mit diversesten Samen, die aufgingen, und mit denen er sich daraufhin intensiv beschäftigte. Er trennte sie, topfte sie um, sortierte sie und erntete kleine Teile davon, die er dann press-trocknete. Die Bilder werden dann, im Laufe eines auf Fotogrammen basierenden Produktionsprozesses, auf Filmmaterial ohne Kamera oder andere fotografische Instrumente produziert. Die finalen Werke zeigen keine sachlichen Abbildungen der Pflanzenteile, sondern Parts fotografische Annäherungen an sie.
Die Malerin und Fotografin Sophie-Luise Passow (geb. 1994, lebt in Wien) spielt mit der Ambivalenz, dass Malerei die ganze Welt zeigt und gleichzeitig alles verbirgt. Gleichzeitig verstärkt sie diese Zweideutigkeit, indem sie das für unsere Augen im Alltag Unsichtbare phantasievoll in Szene setzt. Betrachten wir die Malerei als "offenes Fenster", so ist es bei der Wienerin nicht, auch nicht aus einem anderen Blickwinkel, auf die Außenwelt gerichtet, sondern gibt den Blick frei auf das, was jenseits unserer Reichweite liegt: unter der Haut, hinter den Schleiern (Malerei als Velum), im Körperinneren. Die bewegten abstrakt-geometrischen Formen und ornamentalen, repetitiven Muster, die Passow gefunden oder erfunden hat, manchmal mit schwarzen dynamischen Linien verwoben, tragen Titel aus der Biologie wie RNA, Mitochondrienoder Karyotyp. Ihre Bildfindungen sollen die Transformationen komplexer Systeme widerspiegeln, die in biologischen Organismen ablaufen. Mit ihrer lebhaften, manchmal exotisch-dämonisch anmutenden Farbpalette und den verwischten, phantasmagorischen Effekten und Verformungen, die u.an. von den Textilien der MAK-Sammlung inspiriert waren, fesselt Passow unsere Aufmerksamkeit und weckt die Lust am Sehen. Das Fehlen eines Rahmens auf ihren Bildern lässt sie „leicht, zart und zerbrechlich“ erscheinen und verleiht ihnen einen Hauch von Authentizität, während sie in Wirklichkeit „widerstandsfähig, robust und anpassungsfähig“ sind. Sie offenbaren die systemischen illusionistischen Übel des Spätkapitalismus: Es scheint, als seien Passows Bilder attraktivere Doppelgänger als die Originale der Objekte, Prozesse oder Phänomene, die sie benennen.