A N T H O N Y G O I C O L E A
Double Standard
2. Mai – 21. Juni 2025
Öffnungszeiten
Di. – Sa., 11:00 – 18:00 Uhr
Fasanenstraße 29
10719 Berlin

Wir freuen uns sehr, im Rahmen des Gallery Weekend Berlin die Ausstellung „Double Standard“ des New Yorker Künstlers Anthony Goicolea präsentieren zu dürfen.
Zu sehen sind neue Malereien auf Leinwand und Mylar, in denen sich Goicolea mit dem Thema beschäftigt, das sich wie ein roter Faden durch sein gesamtes Schaffen zieht: Dem Widerspruch zwischen innerer und äußerer Wahrnehmung, dem Konflikt zwischen Selbst- und Fremdbestimmung, der Zerreißprobe zwischen gesellschaftlicher Norm und persönlicher Identität, resultierend aus unterschiedlichen kulturellen Prägungen, sexuellen Orientierungen oder Geschlechterrollen.
Anthony Goicolea, geboren 1971 als Sohn kubanischer Einwanderer in Atlanta, Georgia, zählt zu den vielseitigsten zeitgenössischen Künstlern seiner Generation. Nach dem Abschluss am Pratt Institute in New York wurde er in den späten 1990er Jahren mit Fotocollagen und Videoarbeiten bekannt, in die er sich mithilfe digitaler Bildbearbeitungs- und Compositing-Techniken dutzende Male selbst hineinmontierte.
Später konzentrierte er sich auf Malerei und Installationen, stets mit dem Ziel, in seinen Arbeiten den Zustand des Individuums in einem fremden Umfeld auszuloten.
2018 schuf Goicolea das große LGTBQ Memorial im Hudson River Park, ein weithin sichtbares, auf Lichteffekten basierendes Denkmal, mit dem die Stadt New York sowohl an die Opfer des Anschlags auf einen Schwulenclub in Orlando im Jahr 2016 als auch an alle anderen Leidtragenden queerfeindlicher Gewalt erinnert.
In der Ausstellung „Double Standard“ nimmt uns Goicolea mit auf eine emotionale Reise durch die Sphären ständiger Sinnsuche. Er zeigt Menschen in bizarren, melancholischen Momenten, in denen sie an der Grenze zwischen Wirklichkeit und Traumwelt gefangen zu sein scheinen.
Goicoleas Malstil ist geprägt von einer expressiven Bildsprache, die er meisterhaft mit surrealen Elementen verbindet. Hervorstechendes Merkmal ist dabei der subtile Humor, der die düsteren Töne seiner Werke konterkariert. Inmitten des Dramas und der Isolation finden sich stets Augenblicke von Ironie und Leichtigkeit, die den Betrachter dazu einladen, die Merkwürdigkeiten des Lebens zu akzeptieren und vielleicht sogar zu genießen.
Der Grund für Goicoeas ausgeprägte Hingabe zur Doppeldeutigkeit und zum Verstörenden lässt sich in seiner Biografie finden. Zum einen wächst er als kubanisches Einwandererkind in den US-Südstaaten auf, zum anderen begreift er im Teenageralter, dass er schwul ist. Früh lernt er das Gefühl kennen, nicht recht an einen Ort zu gehören, das unausgesprochene Unwohlsein in einer Situation, in der man nicht wirklich weiß, was denn gerade nicht stimmt. In seiner Kunst sucht er daher immer die Grenzgebiete und Schwellenzustände, die Momente auf der Kippe und das unsichere Terrain, in dem zeitliche wie lokale Verortung schwierig werden und man als Betrachter nicht mehr sicher ist, was man gerade sieht.
Man kann in Goicoleas Malereien dieses gewisse deplatzierte Unbehagen des Fremden oder Befremdens spüren, nicht sofort, nicht vordergründig, nicht brachial, sondern mit charmanter, liebevoller Subtilität. Die Farben intensiv, die Blicke selbst im Abdriften starr, die Körper allesamt androgyn, jugendlich, ein wenig lasziv, aber nicht aufdringlich.
Das im wahrsten Sinne des Wortes Ver-Rückte seiner Bilder bleibt manchmal dezent und wird einem dann doch plötzlich in seiner ganzen Dramatik bewusst. Man glaubt Goicolea, wenn er sagt, dass ihn die Idee eines „Vorher“ und eines „Nachher“ nie sonderlich interessiert hat. Seine Protagonisten agieren in dem gespannten Raum zwischen vorgegebenem Bild und unseren persönlichen Interpretationen. Mit Verweisen auf Popkultur, Massenmedien und fiktive Erinnerungen wirken sie einem Pool von Bildern und Vorstellungen entstiegen, die gleichermaßen vertraut wie fremd zu sein scheinen.
Seine Bilder berichten somit auf sehr zärtliche, aber gleichzeitig bedrohliche Weise von dem Lebensgefühl, das fast alle Menschen kennen, die queer sind oder einer anderen Minderheit angehören: Von dieser festigenden Zerrissenheit, von diesem mutig-verschreckten Herantasten an die eigene Identität, weil man nicht so ist, wie alle um einen herum.
Goicoleas Malereien haben dabei kein „Narrativ“, sie zeigen vielmehr Momentaufnahmen, kurze, eingefrorene Augenblicke des Absurden aber auch Befreienden, so, als hätte jemand in einem verwackelten Coming-of-Age-Film auf die Pausentaste gedrückt.
Anthony Goicoleas Arbeiten befinden sich sowohl in bedeutenden Museumssammlungen in den USA als auch in großen europäischen Institutionen, darunter das Museum of Modern Art in New York, das Hirshhorn Museum in Washington, D.C., die Yale University Art Collection, das Brooklyn Museum, das Guggenheim Museum in New York und die Reina Sofia in Madrid.