top of page

J Ó Z E F   J A R E M A

The Principle of Chance

28. Juni – 5. September 2025

Öffnungszeiten

Di. – Sa., 11:00 – 18:00 Uhr

Fasanenstraße 29

10719 Berlin

Wir freuen uns sehr, die Einzelausstellung „The Principle of Chance“ des Künstlers Józef Jarema in unserer Berliner Galerie präsentieren zu dürfen. Die Ausstellung zeigt eine Auswahl abstrakter Malereien aus den 1940er bis 1960er Jahren, die Jaremas herausragende Rolle innerhalb der europäischen Nachkriegs-Avantgarde belegen.


Jozef Jarema kannte keine Grenzen, keine Schranken, keine Limits. Er war das, was man ein Multitalent nennen würde, ein umtriebiger, vielseitiger Kreativer, der sich nie mit einer einzigen Sache zufriedengeben konnte, ein Netzwerker und Macher, lange bevor das Wort „Networking“ existierte und „Machen“ in der Kunst eine Tugend war.


Geboren 1900 in Stary Sambor (damals Galizien/Österreich, heute Ukraine) zog er 1918 nach Krakau, wo er Malerei studierte. 1924 übersiedelte er nach Paris, wo er in Künstlerkreisen um den Dadaisten und Surrealisten Louis Aragon verkehrte. 1931 ging er zurück nach Krakau, gründete erst die Zeitschrift „Glos Plastyków“ („Die Stimme der Plastiker“), dann das legendäre Avantgarde-Theater „Cricot“. Er schrieb experimentelle Theaterstücke, inszenierte absurde Literatur-Performances, trat als Schauspieler auf.


Im Zweiten Weltkrieg schlug sich Jarema über Rumänien zu den Truppen des polnischen Generals Wladyslaw Anders durch. Der war 1939 - unmittelbar nach Deutschlands Invasion in Polen - zunächst von den mit Hitler verbündeten Sowjets in Gefangenschaft genommen worden. Als die Sowjetunion 1941 schließlich selbst von der deutschen Wehrmacht überfallen wurde, beauftragte Stalin den inhaftierten Anders, tausende polnische Kriegsgefangene in der Sowjetunion zu einer Söldner-Armee zu formen, um gegen die deutschen Truppen zu kämpfen.


Diese sogenannte „Anders-Armee“ gewann schließlich 1944 die Schlacht um Monte Cassino, wo die West-Alliierten zuvor große Verluste erlitten hatten und an der Einnahme der Nazi-Bastion gescheitert waren. Jarema war bei dieser Schlacht als Soldat im Einsatz. Trotz seiner Kriegsbeteiligung als Anders-Kombattant gelang es ihm, von 1941 bis 1945 an Kunstausstellungen in Bagdad, Tel Aviv und Kairo teilzunehmen, wo seine Einheit zwischenzeitlich stationiert war.


Nach dem Zweiten Weltkrieg ging Jarema nicht nach Polen zurück, sondern zog nach Rom. Bereits im Oktober 1945 gründete er dort zusammen mit dem Futuristen Enrico Prampolini den „Art Club“, eine Vereinigung von Intellektuellen, die Avantgarde-Künstler aus aller Welt vernetzen und eine in jeder Hinsicht grenzüberschreitende, multinationale Kunstplattform schaffen wollten.


Nach den finsteren, grausamen Kriegsjahren sollte der „Art Club“, so Jarema bei der Gründung, „eine gemeinsame luzide Heimat für diejenigen sein, deren einzige Heimat die Freiheit in Gedanken, Worten, Bildern, Hoffnungen und Sinnen ist.“ Zwei Säulen sollten die Avantgardisten-Vereinigung tragen, um dem Nationalsozialismus, Faschismus und Rechtspopulismus ein künstlerisches „Nie Wieder“ entgegenzuschleudern: Zum einen das Bekenntnis zur universellen Sprache der Abstraktion, zum anderen die Kraft internationaler Kooperationen mit Gleichgesinnten. Nicht zufällig siedelte man sich in der Via Margutta an, in der damals Federico Fellini, Luchino Visconti, Anna Magnani, Giorgio de Chirico, Max Roeder und zeitweise Pablo Picasso lebten.


Dank Jaremas und Prampolinis Umtriebigkeit nahm die Idee der weltweiten Vernetzung rasch Fahrt auf. Schon nach wenigen Jahren unterhielt der „Art Club“ in über 30 Ländern Niederlassungen, die aktivsten davon in Österreich, Belgien, Brasilien, Israel, Japan, Ägypten und der Türkei.


Über 200 Ausstellungen organisierte die Vereinigung in den 1940er und 1950er Jahren, mehr als 150 Publikationen brachte sie heraus. Gezeigt wurden Werke von nahezu 60 Künstlern, die vor allem der abstrakten, konstruktivistischen, amorphen, gegenstandslosen Malerei und Bildhauerei zuzurechnen sind, allen voran Jean Arp, Sonia Delaunay, Willi Baumeister, Max Bill, Giorgio de Chirico, Roberto Maguelli, Constantin Brancusi und Lucio Fontana, aber auch Pablo Picasso und Marc Chagall. Nebenbei kuratierte Jarema 1948 den polnischen Pavillon bei der 24. Biennale di Venezia und organisierte 1953 den „Kongress der visuellen Künste“ in Palermo.


Nach eigener Aussage galt Jaremas größte Bewunderung in dieser Zeit einer künstlerischen Haltung, die sich auf das dadaistische Prinzip des Zufalls stützte und den Anspruch verfolgte, eine neue Objektsprache aus Alltagsformen zu entwickeln. In seinen eigenen Gemälden bediente er sich einer Formensprache, die zwar naturalistisch geprägt war, zugleich aber der Abstraktion zustrebte. In mehreren Gruppenausstellungen des „Art Club“ zeigte er seine Werke gemeinsam mit Gleichgesinnten, wobei jeder auf eigene Weise das Konzept der „Authentizität der absichtsvollen Zufälligkeit“ erkundete.


Während manche Künstler versuchten, Formen bis auf ihre äußere Hülle zu reduzieren, um einen inneren Kern zu bewahren, ging Jarema einen deutlich anderen Weg: Zwar abstrahierte auch er natürliche, organische Formen, doch er erhielt deren Lebendigkeit und Echtheit, indem er ihr innerstes Wesen durch eine intuitive, gestische Malweise sichtbar machte.


Anfang der 1960er Jahre zog Jarema mit seiner Frau Maria nach Nizza, wo sie gemeinsam mit großem Erfolg eine Weberei betrieben und Teppiche mit abstrakten Mustern herstellten. 1970 übersiedelte er ein weiteres Mal, und zwar nach München, wo er 1974 verstarb.


Man kann Jarema zweifelslos als Kosmopoliten und Visionär bezeichnen, der zu Unrecht in Vergessenheit geraten ist und gerade heute, in Zeiten des wieder aufkeimenden Rechtspopulismus und Nationalismus, eine Wiederentdeckung verdient. Seine Gemälde – oft von intimem Ausmaß, aber von großer Entschlossenheit und enormer Intensität – spiegeln sein lebenslanges Engagement für Freiheit, Experimentierfreude und Toleranz wider.

bottom of page