R Y A N F O E R S T E R
S T E F A N R E I T E R E R
M E I N A S C H E L L A N D E R
Fuge für drei Künstler*innen
6. Dezember 2024 –
18. Januar 2025
Öffnungszeiten
Di.–Fr., 11–18 Uhr
Sa., 11–15 Uhr
Getreidemarkt 14
1010 Wien
Wir freuen uns sehr, die Ausstellung „Fuge für drei Künstler*innen“ von Ryan Foerster, Stefan Reiterer und Meina Schellander in unserer Wiener Galerie zu zeigen. Sie wurde von Mélanie Scheiner kuratiert und setzt die Werke von drei Künstler*innen zueinander in Bezug, die verschiedenen Generationen angehören, aber aus ihrem jeweils eigenen, individuellen Blickwinkel ähnliche Aspekte unserer technoiden Lebensrealität beleuchten.
Fugue - vom lateinischen fuga: Flucht; fugare: fliehen - ist ein Wort mit unzähligen Bedeutungen. Im Englischen kann es sich auf einen Zustand physischer und/oder psychischer Abwesenheit beziehen, ein vorübergehendes Heraustreten aus der Vernunft und dem Selbst, eine vage Abwesenheit von einem bekannten Ort. Im Deutschen kann es auch eine Spalte oder den Zwischenraum zwischen zwei Dingen bedeuten. Ausgehend von diesen verschiedenen Konnotationen untersucht die Ausstellung „Fuge für Drei Künstler*innen“ die Art und Weise, wie drei ungleiche Künstler*innen - deren Schaffen Generationen, geografische Kontexte und ein breites Spektrum von Medien umspannt - sich mit der Beziehung des Körpers zum physischen, mentalen und sozialen Raum auseinandersetzen und diese unterlaufen.
Ausgangspunkt der Ausstellung ist Meina Schellanders Installation „Einheitenfuge 1: Teil/Rest 1-18 mit Gegenstellwerk 1-19“ (1982-89), die hier zum ersten Mal seit 35 Jahren in ihrer Gesamtheit gezeigt wird. Schellanders Oeuvre ist geprägt von einer rigorosen Aufmerksamkeit für die Anordnung von Formen im Raum, die gleichermaßen von der gebauten Umwelt und der natürlichen Landschaft ihrer Kärntner Heimat inspiriert ist. Ihre architektonischen Skulpturen mit ihren harten Winkeln und ihrer oft mechanischen Anmutung sind jedoch typischerweise aus organischen und leichten Materialien wie Holz, Plexiglas, Eitempera und Papiercollage gefertigt. Hinter ihrer imposanten Präsenz verbirgt sich eine gewisse Verletzlichkeit, ähnlich dem Imponiergehabe von Tieren, die sich selbst größer erscheinen lassen, wenn sie sich bedroht fühlen. In Schellanders Skulpturen wird die Spannung zwischen der formalen Autonomie einer Struktur und dem Einfluss der sie umgebenden räumlichen Kontexte zu einer Analogie des Kampfs zwischen der Innerlichkeit eines Individuums und den äußeren Kräften, die unser Leben formen.
In Stefan Reiterers Werk nehmen diese äußeren Kräfte die Form von technologischer Hegemonie und Überwachung an, die zwar virtuell und immateriell sind, aber dennoch die strukturelle und kognitive Realität definieren, in der wir uns als verkörperte Wesen behaupten müssen. In einem schwindelerregend zyklischen Prozess von Renderings sammelt und komponiert der Künstler Satelliten- und Luftaufnahmen von Landkarten und Landschaften, die er malt, verzerrt, in einer 3D-Software neu rendert und dann erneut auf entsprechend vergrößerten Oberflächen malt. Für die „Fuge für Drei Künstler*innen“ hat Reiterer eine Reihe solcher Skulptur-Gemälde geschaffen, die direkt auf zwei öffentliche Aufträge Schellanders aus den Jahren 1982 und 1997 reagieren, deren reale Existenz heute, sei es aufgrund von Vernachlässigung oder Verleugnung von öffentlicher und Auftraggeberseite, fraglich ist.
Während Reiterer in seiner Arbeit die Unterscheidung zwischen virtuellen, physischen und imaginären Raumdarstellungen auf die Probe stellt, ist das Werk des in New York lebenden Künstlers Ryan Foerster ausgesprochen vertraut und konkret. Im Laufe der Zeit scheint der Künstler, der seine Karriere als Fotograf begann, selbst „zur Kamera“ geworden zu sein. Mit seinem weit geöffneten Objektiv fängt Foerster alles ein, was ihm zur Verfügung steht - auf der Straße gefundene Abfälle, überschüssiges Baumaterial, ausrangierte Kleidung, kostenlose Cliparts, Screenshots von Pop-up-Anzeigen in Nachrichtenartikeln und so weiter. Ähnlich wie bei der Kompostierung durchlaufen die Materialien des Künstlers einen Transformationsprozess, der zu einer zufälligen und sensiblen Produktion von Assemblagen führt, die gleichzeitig Aufzeichnungen einer gelebten Realität und diskrete Formen sind, die mit einer eigenen inneren Logik aufgeladen sind.
In ihrer vielleicht gebräuchlichsten Verwendung ist eine Fuge eine polyphone Kompositionstechnik, bei der mehrere Melodien, die auf ein zentrales Thema reagieren, schrittweise eingeführt, gegeneinander gesetzt, überlagert und moduliert werden. „Fuge für Drei Künstler*innen“ entfaltet sich entsprechend und überträgt diese musikalische Struktur auf den physischen Raum der Galerie. Wie Glenn Gould sagt: „Die Fuge ist ein Prozess, bei dem es um einen Prozess geht“. In ähnlicher Weise stellt sich die Ausstellung die Praktiken von Foerster, Reiterer und Schellander als unterschiedliche Melodien vor, ihre Kunstwerke als einzelne Noten. Nach konzeptionellen und formalen Harmonien und Dissonanzen arrangiert, entsteht ein neues kollektives Werk und damit das Potenzial für neue Bedeutungen. Welche Musik wird daraus entstehen?
Text von Mélanie Scheiner